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Die Gewaltfreie Kommunikation - Was an dieser Gesprächsführung gut ist und warum du dennoch mit ihr scheitern kannst

Hi, bist du auf der Suche nach etwas, um deine Kommunikationsfähigkeit verbessern zu können? Oder wünschst du dir, dass du deine Kollegen, deinen Partner oder deine Kinder besser verstehen kannst? Und ist dir dabei der Begriff Gewaltfreie Kommunikation (GFK) untergekommen?

 

Dann bist du hier genau richtig. Denn hier zeige ich dir auf:

  • was sie bedeutet
  • wie du sie anwendest
  • aber auch, warum du dennoch mit ihr in Gesprächen scheitern kannst.

Was ist die Gewaltfreie Kommunikation und warum ist sie wichtig?

Marshall B. Rosenberg, dessen Doktorvater Carl Rogers (Stichwort: klientenzentrierte Psychologie) war, beschäftigte sich in seinem Leben mit zwei Fragen:

  1. "Was geschieht genau, wenn wir die Verbindung zu unserer einfühlsamen Natur verlieren und uns schließlich gewalttätig und ausbeuterisch verhalten?"
  2. "Was macht es manchen Menschen möglich, selbst unter schwierigsten Bedingungen mit ihrem einfühlsamen Wesen in Kontakt zu bleiben?" (aus seinem Buch "Gewaltfreie Kommunikation - Eine Sprache des Herzens")

Mit seinem Konzept und dem dazu veröffentlichten Buch "Nonviolent Communications: A Language of Life", welches in 30 Sprachen übersetzt wurde, und den dazu durchgeführten Trainings setzte sich Rosenberg dafür ein, dass man empathisch aufeinander zugehen könne. Dadurch solle es möglich sein, Konflikte auf einer Ebene zu lösen, die Verständnis und Offenheit für einander bedingen und gleichzeitig auch ermöglichen.

Was sind die Merkmale der Gewaltfreien Kommunikation?

  1. Beobachtungen - Schulung der eigenen objektiven Beobachtungsfähigkeit, um keine subjektive Darstellung der Situation wiederzugeben, was zur Folge hätte, dass das EGO sich berufen fühlen würde, in Erscheinung treten zu müssen. (siehe Punkt 4)
  2. Gefühle - Erforschung der eigenen Emotionen, da sie die Triebfeder unseres Handelns sind und einen Hinweis auf unsere subjektive Realtität geben. Lässt sich ein Menschen durch diese leiten, kann kein konstruktiver Lösungsansatz gefunden werden. Da die eigenen Bedürfnisse nicht mit den Bedürfnissen des anderen in Ausgleich gebracht werden können.
  3. Bedürfnisse - Erkennen der eigenen Vorstellungen und Erwartungshaltungen, um diese dann dem anderen gegenüber eindeutiger formulieren zu können.
  4. Bitten - Die Fähigkeit um etwas zu bitten, ohne es zur Forderung werden zu lassen und dabei gleichzeitig gemeinsam konstruktive Lösungen finden zu können .

Das sind die vier wesentlichen Schritte der Gewaltfreien Kommunikation. Sie unterstützen die Anwender darin, bei sich zu bleiben und nicht mit Ego-Phrasen auf den anderen "loszugehen".

 

Wenn das Ego regiert, geht es nicht mehr um objektive Versuche eine konstruktive Lösung für eine Situation zu finden, sondern nur darum, sein eigenes Recht zu durchzusetzen. Aufgrund der Annahme, man müsse sich verteidigen, da man subjektiv betrachtet verletzt wurde, versucht man dies auf eine Art und Weise zu erringen, die den anderen Menschen meist nur verletzen kann. (Ich denke, du weißt, was ich meine.)

Wie wendet man die Gewaltfreie Kommunikation im Alltag an?

Nun wollen wir uns die Theorie in der Praxis anschauen.

Als nachvollziehbares Beispiel nehme ich die unaufgeräumte Küche.

 

1. Mit der Beobachtung beginnst du. Deshalb möchte ich aufzeigen, was der Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Beobachtung ist.

  • „Immer muss ich den ganzen Haushalt machen.“

Hier siehst du, dass sehr allgemein gesprochen wurde. Ich schrieb dir ja, dass wir eine unaufgeräumte Küche vor uns hätten. Mit dem Ausspruch „ganzer Haushalt“ wurde jedoch die Situation aufgebläht.

Auch wurde „immer“ genutzt. Wenn der Küchendienst tatsächlich immer nur von einer Person gemacht werden würde, wäre das Wort in Ordnung. Aus meiner genannten Situation geht dies als Information nicht hervor. Demnach wäre es angebracht, zu hinterfragen, ob es wirklich "immer" so ist.

Nun die neutrale Wiedergabe:

  • „Ich habe festgestellt, dass ich die letzten X Tage die Küche allein aufgeräumt habe.“

Es wurde ein Fakt wiedergegeben und dabei mit keiner Bewertung vermischt.

2. Jetzt gehen wir zu den Emotionen über.

Das Beispiel der unaufgeräumten Küche lassen wir.

  • „Ich will nicht die Küche alleine aufräumen müssen. Dadurch habe ich das Gefühl, dass ich dir nicht wichtig bin.“

Hier wurde nur eine Vorstellung einer Rollenverteilung und eine Bewertung vorgebracht, aber keine Emotion.

Richtig wäre demzufolge:

  • „Ich fühle mich bei dem Gedanken „die Küche allein aufräumen zu müssen“ nicht gut. Es fühlt sich in mir traurig an.“


Hier zeigt sich die Person emotional, denn sie teilt mit, was die gedachte Vorstellung vom alleinigen Aufräumen für ein bedingtes Gefühl in ihr auslöst. Dabei könntest du auch annehmen, dass sich das Gefühl von Traurigkeit in der Person bereits augebaut hatte, als sie das Aufräumen in der Vergangenheit alleine tat.

3. Bedürfnisse erkennen und aussprechen kommt nun als nächstes. Wir bleiben bei meinem angeführten Beispiel.

 

Wenn wir eine Botschaft hören, neigen wir dazu, diese zu verändern. D.h. wir interpretieren, selektieren und identifizieren uns mit dem, was bei uns reinkommt. Dabei ist es egal, ob wir die Mitteilung objektiv oder subjektiv erhalten haben.

 

Je nachdem, wie stark du nun das Idealbild von dir infrage gestellt sieht, desto stärker erfolgt auch deine Reaktion auf die angekommene Aussage.

 

Für dich als Beispiel zwei verschiedene Reaktionsmöglichkeiten:

  • "Es ist nicht fair, dass du sagst, du würdest den Haushalt immer alleine erledigen. Erst gestern habe ich doch den Müll rausgebracht."

Hier wird deutlich, dass der Angesprochene sich zu verteidigen sucht, indem er den Gegenbeweis anbringt. Eine Kommunikation, wie sie Rosenberg als Ideal bezeichnet, nämlich zugewandt, offen und empathisch findet in der Antwort nicht statt.

 

Denn neben dem Beweis, kommt die Bewertung zur Aussage, was fair wäre und das liegt hier im Ermessensspielraum des subjektiven Empfindens. Was für eine Emotion die ursprüngliche Aussage ausgelöst hat, wird nicht reflektiert und kann damit auch nicht zum Ausdruck gebracht werden.

 

Und mit der Antwort wird deutlich, dass der Angesprochene nicht auf den anderen mitfühlend eingeht, da keine Hinterfragung im Sinne von Anteilnahme erfolgt.

 

Wie hätte demnach die Antwort nach dem Konzept der Gewaltfreien Kommunikation ausgesprochen werden müssen?

  • "Du meinst, du hast den Eindruck, dass du allein verantwortlich für den gesamten Haushalt bist? Und das fühlt sich für dich nicht gut an?"

Ja, bei dem anderen komplett zu bleiben ist eine Verhaltensweise, die wir so im Alltag kaum erleben. Vielleicht dachtest du beim Lesen, dass deine Bedürfnisse gar nicht in Erscheinung treten, wenn die Antwort nur so korrekt ist. Und hast du für dich dabei reflektiert, dass du dich dann zurückgesetzt fühlen würdest, wenn du in solch' einer Situation nur so geantwortet hättest?

 

Okay, verstanden. Deswegen noch die Erklärung, warum du bei einer Antwort lieber bei deinem Gegenüber bleibst, als deine inneren Abläufe gleich kundzutun.

 

Erst einmal, wäre es sehr gut, dass, wenn sich in dir wie eine Art Widerstand bemerkbar machen möchte, du dies neben dem Zuhören für dich realisierst. Weil dies bedeutet, die Mitteilung (be-)trifft dich. Eine Wertung in dir hat gegriffen.

 

Doch warum teilt man sich eigentlich mit? Richtig, weil uns etwas bewegt. (Und nicht weil wir jemanden verletzen wollen.) Demzufolge wurde die anfängliche Aussage zur unaufgeräumten Küche nur ausgesprochen, weil der Sprecher sich in irgendeiner Art und Weise mit etwas in sich konfrontiert sieht, was eine Emotion ausgelöst hat.

 

Antwortest du nun mit deiner Bewertung darauf, geht ein bedeutsamer Moment ungenutzt verloren. Denn der Sprecher muss ein sehr starkes Leidempfinden in sich verspüren, um etwas auszusprechen und hat zugleich so viel Zutrauen zu dir, dir etwas mitzuteilen, was dein Gegenüber persönlich betrifft. Und eine reaktive Anwort würde verhindern, dass sich dein Gegenüber noch klar werden kann, welcher Wunschvorstellung und welchem subjektiven Realitätsempfinden hier zu einer Enttäuschung geführt hat.

 

Objektiv betrachtet, kann man das nicht immer nachvollziehen. Es bedarf dein Verständnis, dass es nur psychologisch gesehen erklärbar ist, was hier in deinem Gegenüber vor sich geht. Deswegen braucht es an erster Stelle dein Einfühlungsvermögen, was bedeutet, dass du deinen Standpunkt verlassen kannst und in du dafür in den "Film" deines Gegenüber eintauchst. Dann kannst du auch verstehen, warum eine Enttäuschung da ist und dann ist Schritt vier der Gewaltfreien Kommuniktion "das Bitten" möglich.

 

Denn dein Gegenüber sieht sein Zuttrauen in dich bestätigt und gleichzeitig erlebt dein Gegenüber auch, dass er "gesehen, gehört und gefühlt" wurde. Und das gelingt dir nur, wenn du deine Bewertung erst einmal hintenanstellst. (In meinen Beratungen wird dir dies aufgrund auf dein persönliches Anliegen noch verständlicher werden können. Melde dich gern)

 

4. Bist du im Gespräch bis hierher gekommen, dann erst einmal ein "Bravo" von meiner Seite, denn du hast mega viel geschafft, da eine bewegende Situation so ausgedrückt und anteilnehmend aufgenommen wurde, dass du nun mit deinem Gegenüber an einer Lösung arbeiten kannst. Rosenberg nennt diesen Schritt "das Bitten".

 

Hier machen wir uns vorab nochmal bewusst, dass wir uns mitteilen, wenn uns etwas bewegt und  wenn wir zutrauen zu dem Zuhörer haben. Auch wenn wir zumindest eine kleine Hoffnung haben, dass wir durch das Hervorbringen unserer Bewegtheit  eine Veränderung herbeigeführt werden kann, teilen wir uns mit. Zudem ist es natürlich wichtig, dass die Gesprächsbeteiligten mindestens ein gemeinsames Ziel verfolgen und dieses somit die Basis für die Bitte werden kann.

 

Bezogen auf die unaufgeräumte Küche wäre es laut Rosenberg falsch zu sagen:

  • " Ich will nicht immer die alleinige Verantwortliche für den Haushalt sein."

Denn dadurch wird nicht klar, was die Wunschvorstellung ist.

 

Besser wäre demzufolge:

  • " Ich möchte, dass wir uns in die Küchenarbeiten reinteilen."

Weiterhin ist zu beachten, dass die Bitte so vorgebracht werden sollte, dass der Angesprochene die Möglichkeit, die Bitte zu verneinen, ohne dass dadurch als Reaktion darauf ein Liebesentzug stattfinden würde. Eine gute Bitte wäre also:

  • "Wie wäre es dir möglich, mit mir gemeinsam die Küchenarbeit zu erledigen?"

Hier wird aufgezeigt, dass eine Aufteilung angestrebt wird und dass der Gefragte selbst Lösungsansätze einbringen kann. Was dazu führt, dass diese dann auch eher umgesetzt werden, als  wenn er nur die Möglichkeit der Ausführung hätte. Das intrinsische Motiv, also die Eigenmotivation und die Eigenverantwortung würde angesprochen werden.

 

Hältst du dich zukünftig an diese vier Punkte der Gewaltenfreien Kommunikation, soll laut Rosenberg eine tiefere Verbundenheit zwischen dir und deinem Gesprächspartner eintreten. Zumindest, würdest du dich darin üben können, sowohl dich als auch dein Gegenüber besser zu verstehen. ( Weiter unten zeige ich dir noch kurz die Schwierigkeit dieser Gesprächsführung auf. Nicht damit du es gar nicht versuchst, deine Kommunikationsfähigkeiten zu trainieren, sondern damit du nicht von dir selbst enttäuscht bist, sollte es für euch in manchen Konfliktsituationen nicht zufriedenstellend laufen.)

Kann Gewaltfreie Kommunikation in Beziehungen helfen?

Ja, denn es ist eine Gesprächsführung, die darauf abzielt, dass Menschen, die sich nahestehen und dadurch sich auch persönlich verletzt sehen, in die Lage versetzt werden, sich weiterhin vertrauensvoll dem anderen zuzuwenden. Weil das Bewusstsein dafür geschaffen wurde, dass der Andere nicht so spricht, damit er einen verletzt, sondern weil er sich selbst grade eben mit etwas konfrontiert fühlt, was er nicht für sich allein lösen kann.

 

Natürlich ist es nicht so einfach, diese Gesprächsführung umzusetzen, wenn grad einer gefühlt dicht macht. Die Kunst ist es hier selbst offen zu bleiben und den anderen das Gefühl von "Hey, ich sehe, höre und fühle dich" zu vermitteln, so dass im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel konstruktive Lösungen gefunden werden können.

 

Die Übung macht, wie immer den Meister.

 

Und ja die Gewaltfreie Kommunikation kommt an ihre Grenzen. Dazu weiter unten mehr.

Wie kann Gewaltfreie Kommunikation bei Konflikten unterstützen?

Die Gewaltfreie Kommunikation unterstützt bei Konflikten dahingehend, dass man versucht, nicht ins Persönliche abzurutschen. Also das Ego außen vor zu lassen, so dass die Objektivität leichter gewahrt bleiben kann. Was die Grundvoraussetzung für konstruktive Gespräche bildet.

 

Und auch wenn nicht sofort eine Lösung gefunden werden kann, weil die Subjektivität nicht komplett ausgeschalten werden konnte, ist zumindest erreicht, dass die Gesprächsparteien sich zugehört und damit ein Verständnis für einander gewonnen haben.

 

So dass nun zumindest jeder für sich allein noch einmal in sich gehen kann, um zu schauen, ob die eigene Haltung zugunsten des gemeinsamen Zieles aufgebrochen werden kann.

 

Und solange ein Dialog nicht zum Monolog wird oder komplett abbricht, ist viel erreicht und wird zu einem nachhaltigen Miteinander beitragen.

Gibt es Kritik an der Gewaltfreien Kommunikation?

Ja, Rosenberg selbst meinte in seinem Buch zur Gewaltfreien Kommunikation, dass er mit dieser Methode auch scheiterte.

 

Woran das liegt, fragst du dich vielleicht?

 

Auch wenn einem die eigenen Bedürfnisse durch das Anwenden des Konzepts klar werden, bedeutet das jedoch nicht, dass sie auch immer gerechtfertigt sind.

 

Weil Bedürfnisse durch automatisiert ablaufende Konditionierungen im Unterbewusstsein eines Menschen erzeugt werden können, die dafür sorgen, dass wir denken, wir wüssten, warum wir etwas wollen oder eben nicht wollen. Jedoch die tatsächliche Antwort fände sich dann in der Frage "Wozu?" (Die Bedeutung dahinter habe ich in dem Artikel "Bewusstseinscoaching" aufgezeigt.) Denn sie zeigt dir auf, was du dir in deinen Kindertagen als Selbstbild und als Idealbild von dir kreiiert hast.

 

Und wenn etwas nicht gerechtfertigt ist, sollte der innere Konflikt angeschaut werden, statt dass man die Eigenverantwortung für sein Wertesystem nicht infrage stellt und nur erwartet, dass sich der andere zu ändern hätte. (Über innere Konflikte habe ich hier einen Blogartikel aufgesetzt.)

 

Und solange eine subjektive Einschätzung deine Bedürfnisse bestimmt, wirst du auch immer wieder in der Kommunikation an deine Grenzen stoßen. (Hier habe ich die Anleitung zu einem glücklichen und erfüllten Leben aufgeschrieben, falls du dich dort genauer zum Thema Selbstbild etc. informieren möchtest.)

Warum halte ich die Gewaltfreie Kommunikation dennoch für wichtig?

Nun, alles was uns hilft mit uns selbst in Verbindung treten und dadurch auch besser nach außen kommunizieren zu können, kann ich nur befürworten. Und da ich der Meinung bin, dass wir uns darin üben dürfen, dem Anderen wertungsfrei zuzuhören, ist die Gewaltfreie Kommunikation eine gute Übung.

 

Denn sie fördert, dass der andere sich genauso wertschätzend und anteilnehmend verstanden sieht, wie du es dir für dich selbst sicherlich auch wünschst.

 

Es braucht Übung und das Bewusstsein für sich selbst, so dass die Gespräche, die mit dieser Methode durchgeführt werden nicht nur gemeinsam Lösungen finden lassen, sondern auch dass dabei zwischenmenschlich gesehen alle nur an Offenheit und Verbundenheit gewinnen können.

 

In den Paarberatungen vermittle ich das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation und erweitere es um den Aspekt des Selbstbewusstseins, damit die Beobachtungen der eignen Bedürfnisse und Gefühle von einem neutralen Standpunkt aus angegangen werden können. Dadurch können die Bitten so vorgetragen werden, so dass der Dialog gefördert und die gemeinsamen Interessen und Ziele im Vordergrund stehen, weil dementsprechende Lösungen gefunden werden können.

 

Herzlichst Cornelia

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